Jörn Polzin führte nach ihrem Abschiedsspiel ein Interview mit Nelli Dietrich. Wir zitieren sein Gespräch mit ihr, das am 06. März 2019 in der Langener Zeitung / Offenbach Post veröffentlicht wurde.

Mehr als 20 Jahre trug Nelli Dietrich das Trikot des TV Langen und der Rhein-Main Baskets. Am Sonntag hat sie ihre aktive Basketball-Karriere beendet. Im Interview blickt die 29-Jährige zurück, spricht über verschobene Prioritäten und die Perspektive am Standort Langen.

Nelli Dietrich, die acht Punkte gegen Schwabach waren die letzten Ihrer Karriere. Wie fühlte sich der Abschied an?

Total emotional. Die Halle war voll wie lange nicht mehr. Es waren viele Menschen da, mit denen ich nicht gerechnet habe. Unser früherer Trainer Steffen Brockmann und mein ehemaliger Hessenkader-Coach Eberhard Spissinger haben Reden gehalten. Es war ein rundum gelungener Abschied.

Mit einem kleinen Makel. Das letzte Saisonspiel ging knapp verloren.

Natürlich wäre es schön gewesen, die Saison und meine Karriere mit einem Sieg zu beenden. Wir waren ja auch ganz nah dran. Aber das war nach dem Schlusspfiff für alle nur zweitrangig.

Und jetzt dominiert das weinende oder das lachende Auge?

Ich bin einerseits schon traurig. Schließlich habe ich all die Jahre sehr viel Zeit in der Halle verbracht und sehr viel für den Sport geopfert. Aber ich freue mich genauso auf das, was jetzt kommt und neue Lebensinhalte.

Sie stammen aus einer Basketball-Familie, wie hat sie reagiert?

Klar sind alle etwas traurig, aber können es auch nachvollziehen. Ich habe viele Jahre mit meiner Schwester Pia gespielt. Meine Mutter (Silke Dietrich ist Baskets-Präsidentin Anm. d. Red.) hat mich immer gerne spielen sehen. Nur meinem Vater fällt wohl ein Stein vom Herzen, weil natürlich immer ein Risiko da ist, sich zu verletzen.

Was war ausschlaggebend für die Entscheidung?

Mein Referendariat zur Grundschullehrerin spannt mich sehr ein. Ich werde Ende November mein zweites Staatsexamen machen. Die Zeit für andere Dinge hat einfach gefehlt und die möchte ich mir jetzt nehmen. Ich kann nicht mehr hundert Prozent für den Basketball da sein. Und wenn das nicht mehr geht, höre ich auf. Zudem hat mein Knie nicht mehr so mitgemacht und ich konnte nur noch eingeschränkt trainieren. Die Prioritäten verschieben sich.

Ihre früheren Baskets-Teamkolleginnen Svenja Greunke und Stephanie Wagner spielen weiter auf höchstem Niveau und unter Profi-Bedingungen. Kam für Sie eine solche Karriere nicht in Frage?

Ich habe ja das eine Jahr in Nördlingen unter Vollprofi-Bedingungen trainiert und gespielt. Aber das war nichts für mich. Trainieren, essen, trainieren, schlafen – da fehlte mir vom Lebensrhythmus her einfach etwas.

Aber war es zuletzt nicht etwas frustrierend, als einstige Nationalspielerin im Tabellenkeller der 2. Liga festzustecken?

Frustriert ist vielleicht nicht das richtige Wort. Aber sportlich enttäuschend und ungewohnt. Ich bin in meiner ganzen Karriere nie abgestiegen. Gut, das tun wir diesmal auch nicht, aber nur, weil es keine Absteiger gibt. Es war eine lehrreiche, aber doch auch eine schöne Saison.

2013 sind Sie mit den Baskets deutscher Vizemeister geworden. Jetzt ist man Schlusslicht in der 2. Liga. Wie ist das zu erklären?

Wir haben lange und intensiv auf den Erfolg von 2013 hingearbeitet. Da hat alles gepasst. Wir hatten einen starken Jahrgang mit Steffi Wagner, Svenja Greunke, Nadine Ripper und Anna-Lisa Rexroth. Dazu konnten uns die Amerikanerinnen gleich helfen. Das Niveau haben wir heute noch nicht. Die jungen Spielerinnen bemühen sich sehr, aber der Schritt ist noch zu groß.

Aber woran liegt’s genau?

Schwer zu sagen. Weniger Talent? Weniger Biss? Da können wir aber auch nicht zaubern. Wir haben im Basketball-Teilzeit-Internat (BTI) sehr engagierte Trainer und viele Mädels, die den Sport ausüben wollen. Das ist wichtig, damit der Damen-Basketball in Langen nicht ausstirbt.

Welchen Beitrag wollen Sie dafür leisten? Ihr Trainer Thorsten Schulz sprach von einer neuen Rolle…

Erstmal: Basketball hat für mich weiter einen hohen Stellenwert. Ich habe mit fünf Jahren in Langen angefangen, war mit 14 schon Trainerin. Was ich alles genau mache, ist noch nicht entschieden. Fest steht, dass ich weiter die U14 betreuen werde, mit der wir in der nächsten Saison in der Oberliga antreten wollen. Außerdem will ich mich mehr im BTI einbringen. Und Thorsten hätte mich gerne als Co-Trainerin bei den Frauen.

Ist das denkbar für Sie?

Das kommt für mich – zumindest jetzt — nicht in Frage. Wir verstehen uns super, aber es ist einfach eine Zeitfrage. Außerdem würde ich sicher sonst alles zu sehr vermissen (lacht).