Mit freundlicher Genehmigung von Jörn Polzin veröffentlichen wir den Artikel der Langener Zeitung vom Freitag, den 22. April 2022:
Als Neunjährige begann sie mit dem Basketball beim TV Langen, arbeitete sich über das Teilzeit-Internat und die U18-Bundesliga in den Jugend-Nationalkader. Seit 2011 gehört sie zum Stamm der Rhein-Main Baskets, wurde 2012 Vize-Pokalsiegerin, 2013 Vizemeisterin. Nun, nach mehr als 500 Spielen für ihren Verein, beendet Pia Dietrich ihre Karriere. Im Interview spricht die 27-jährige Kapitänin über den Abschied, ihre größten Erfolge und warum es sie nie aus Langen weggezogen hat.
Mit dem Zweitligaspiel um Platz drei am Samstag (15 Uhr) in Opladen geht Ihre Basketball-Karriere zu Ende. Was überwiegt: Vorfreude oder Wehmut?
Ich habe definitiv ein lachendes und ein weinendes Auge. Wir alle freuen uns nach der tollen Saison auf eine Pause, alle merken die intensiven und anstrengenden Wochen in ihren Knochen. So richtig angekommen ist es bei mir aber noch nicht, dass dies mein letztes Spiel sein wird.
Nach Ihrem letzten Heimspiel gegen Berlin gab es für Sie Standing Ovations, Fangesänge und Lobreden. Wie bewerten Sie die emotionale Verabschiedung mit etwas Abstand?
Das war wunderbar. Es waren endlich mal wieder viele Menschen in der Halle und haben unser Spiel unvergesslich gemacht. Unangenehm waren mir die Reden und der Applaus nicht, ich habe große Dankbarkeit verspürt. Vor allem darüber, dass die Leute sich für mich Zeit genommen haben und diesen Abschluss mit mir erleben wollten.
In Opladen bestreiten Sie Ihr 503. und letztes Spiel. Was ist Ihnen nach all den Jahren besonders hängen geblieben?
Absolutes Highlight war natürlich die deutsche Vizemeisterschaft 2013, als wir vor über 1000 Zuschauern in der Sehring-Halle spielen durften. Aber auch andere Spiele und Erlebnisse, wie der Aufstieg in die 2. Liga mit dem TV Langen oder diverse Jugendmeisterschaften, werden unvergesslich bleiben.
Einige Spielerinnen aus der Vizemeisterschaft wie Svenja Greunke, Steffi Wagner oder Ihre Schwester Nelli haben zeitweise Ihr Glück bei anderen Klubs gesucht. Kam das für Sie nie in Frage bei entsprechenden Angeboten?
Ich hatte mal darüber nachgedacht und es gab durchaus Angebote und Möglichkeiten, doch ich habe mich dann für Zuhause entschieden. Hier konnte ich immer so sein, wie ich bin und mein Spiel spielen, wie ich es konnte und wollte. Erfahrungen wie bei der Nationalmannschaft haben mir gezeigt, dass es Stationen gibt, bei denen Coaches eine andere Spielerin aus einem machen wollen oder man nur auf bestimmte Fähigkeiten beschränkt wurde. Das wollte ich nicht noch mal erleben.
Was zeichnet für Sie den Basketball-Standort Langen aus und gab es nicht vielleicht doch etwas, das Sie während Ihrer Karriere dort vermisst haben?
Der Basketball-Standort Langen ist wie eine Familie. Wir stemmen seit vielen Jahren auf wenigen Schultern die ganze Basketballabteilung, was ich sehr bewundere, was andererseits aber auch traurig ist. Basketball zählt zu den wichtigsten Sportarten in Langen und bietet vielen Kindern und Erwachsenen eine Möglichkeit, im Breiten- oder Leistungssport aktiv zu sein. Dennoch fehlt die Unterstützung an allen Ecken und Enden – vor allem finanziell. Hätten wir die Möglichkeit, hauptamtliche Trainer einzustellen, wäre hier noch viel mehr möglich.
Sie haben die Erstliga-Zeit mit den Rhein-Main Baskets von 2012 bis 2015 miterlebt, gekrönt vom Vizetitel 2013. Sind solche Erfolge mittelfristig überhaupt wieder denkbar?
Nein, eine Rückkehr in die 1. Liga ist nicht möglich und, Stand heute, auch für die nächsten Jahre nicht geplant. Auch hier muss man sich vor allem die finanziellen Möglichkeiten anschauen. Mit unserem damaligen Etat könnten wir nicht mehr erstklassig spielen. Außerdem wird heute in der 1. Liga entgegen unserer Philosophie auf ausländische Profis und weniger auf deutsche Spielerinnen gesetzt. Wir sehen uns weiterhin vorrangig als Ausbildungsverein, der jungen deutschen Spielerinnen die Möglichkeit geben will, Bundesligaluft zu schnuppern. Das hat auch diese Saison überraschend gut geklappt.
Sie hören zum Saisonende auf, Svenja Greunke lässt Ihre Zukunft offen. Zwei Führungsspielerinnen, die das Team getragen haben. Wie schwer wird es für die junge Mannschaft, mit viel Talent aber wenig Erfahrung, in der neuen Saison zu bestehen?
Aktuell lässt sich da noch wenig vorhersagen. Die 2. Liga ist wie eine kleine Wundertüte, da sind wir in dieser Saison das beste Beispiel. Nach einigen Abgängen sind wir mit dem Ziel Klassenerhalt in die Runde gestartet. Letztendlich haben wir die Hauptrunde als Tabellenzweiter im Süden beendet, standen im Halbfinale und spielen nun um den dritten Platz.
Wie werden Sie künftig dem Verein verbunden bleiben? Ganz loszulassen dürfte nach so langer Zeit ja schwierig werden…
Ich werde beim TV Langen weiter als Jugendtrainerin und im Abteilungsleitungsteam tätig sein und auch bei den Rhein-Main Baskets organisatorische Aufgaben übernehmen und unterstützen.
Und Pia Dietrich auf dem Parkett wird man gar nicht mehr sehen?
Aktuell denke ich nicht über eine Rückkehr auf das Feld nach, zumindest nicht auf Bundesliga-Niveau. Vielleicht ja irgendwann mal für ein paar Ü-30- oder Ü35-Meisterschaften. Aber das ist ja noch ein wenig hin. (lacht)
Das Gespräch führte Jörn Polzin